 |
 |
Stoiber kündigt Europa-Gesetz zur Stärkung des Bundestags an
Bayerischer Ministerpräsident unzufrieden mit Zugeständnissen
des Kanzlers - Gauweiler will in Karlsruhe erneut gegen
EU-Verfassung klagen
von Ansgar Graw und Joachim Peter
 |
|
Peter Gauweiler
(CSU) hält die EU-Verfassung für grundgesetzwidrig Foto: AP
|
|
Berlin - Scharfe Kritik an der Europapolitik von Bundeskanzler
Gerhard Schröder (SPD) hat der bayerische Ministerpräsident Edmund
Stoiber (CSU) geübt. Daß sich der Kanzler weigere, den Bundestag
stärker in die Europapolitik einzubinden, sei "antiquierte Politik",
sagte Stoiber der WELT. "Moderne Politik wäre es, eine breite
Öffentlichkeit für Themen, die uns alle betreffen, dadurch
herzustellen, daß das deutsche Parlament verstärkt und frühzeitig
eingebunden wird", sagte der CSU-Chef. Daß der Kanzler dies den
Ländern zugesagt habe, sei zwar "ein erfreulicher Schritt, aber er
reicht ganz und gar nicht aus". Stoiber kündigte an, die Union werde
als einen der ersten Schritte nach einer Regierungsübernahme im Bund
ein "Gesetz zur Ausweitung der Mitwirkungsrechte des Bundestages in
Angelegenheiten der Europäischen Union" realisieren. Einen
entsprechenden Entwurf hatte die Union im Januar in den Bundestag
eingebracht.
Schröder hatte den Ländern am Donnerstag im Gespräch mit
Ministerpräsidenten von SPD, CDU und CSU Zugeständnisse gemacht.
Unter anderem versprach er, die Definition von Vorhaben, mit denen
der Bundesrat befaßt werden soll, auszuweiten. Außerdem soll die
Länderkammer an der Wahl von Richtern des Europäischen Gerichtshofs
beteiligt werden.
Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sagte der
WELT, er befürworte den Vorstoß Stoibers. "Allerdings will ich nicht
für den Bundestag sprechen", so Milbradt weiter. Das tat hingegen
der europapolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Die
Länder hatten sich bereits im Maastricht-Vertrag 1992
"Mitwirkungsrechte gesichert, die jetzt noch einmal ausgebaut
werden", so Müller. Die Ministerpräsidenten hätten sich "vom Kanzler
kaufen lassen, während sie den Bundestag mit seinen berechtigten
Forderungen im Regen stehen lassen", kritisierte der Abgeordnete.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler will abermals
Verfassungsklage gegen die Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages
in Bundestag und Bundesrat einlegen. "Ich halte es nach wie vor für
offenkundig, daß der Bundestag nicht mehr Rechte an die EU abgeben
darf, als er selber hat", sagte Gauweiler der WELT. Er bekräftigte
unter Berufung auf Artikel 146 Grundgesetz seine Forderung nach
einer Volksabstimmung.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Donnerstag die
Verfassungsbeschwerde Gauweilers aus formalen Gründen abgelehnt.
Dieser habe nicht die Befugnis, gegen die Abstimmung im Bundestag zu
klagen, argumentierten die Richter. Das Gesetz existiere schließlich
noch gar nicht. Gleich nach der Zustimmung von Bundesrat und
Bundestag könne er jedoch dagegen per Verfassungsbeschwerde
vorgehen.
Der CSU-Politiker wertete die Entscheidung als Teilerfolg: "Jetzt
ist endgültig klar: In Deutschland wird der europäische
Verfassungsvertrag nicht in Kraft treten, bevor das
Bundesverfassungsgericht seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz
nicht auf Herz und Nieren überprüft hat." Das Gericht habe
"unmißverständlich dargelegt, daß eine Verfassungsbeschwerde gegen
das Zustimmungsgesetz möglich ist". Die Haltung der Bundesregierung
in dieser Frage bezeichnete der Rechtsanwalt als "besonders ungute
Inszenierung", die darauf abziele, "mit dem Bundestagsbeschluß
Wirkung im Nachbarland Frankreich zu erzeugen". Daß "ausgerechnet
das Land, das seinen Bürgern eine freie Abstimmung über die
Verfassung vorenthält, sein Nachbarland beeinflussen will, wenn es
seine Bürger befragt, ist schon kurios", so Gauweiler.
|
 |