Andreas Förster
BERLIN, 25. Mai. Nach der Auswertung der so genannten
"Rosenholz"-Agentenkartei der Stasi durch die Birthler-Behörde liegt
erstmals ein ziemlich genaues Bild der Unterwanderung westdeutscher
Behörden, Universitäten und Firmen durch den DDR-Geheimdienst vor.
So waren allein im Auswärtigen Amt Ende der achtziger Jahre noch 18
Agenten der für Auslandsspionage zuständigen Stasi-Hauptverwaltung A
(HVA) aktiv. Auch an westdeutschen Universitäten hatte die HVA den
"Rosenholz"-Unterlagen zufolge ein dichteres Informantennetz
geknüpft als bislang bekannt. An der Freien Universität in Berlin
etwa führte sie zuletzt 43 Spione, an der Technischen Universität
zwölf.
Bericht unter Verschluss
Die Zahlen gehen aus einem unter Verschluss gehaltenen Bericht
der Forschungsgruppe "Rosenholz" hervor, die in der Birthler-Behörde
angesiedelt ist. Der 250 Seiten lange Report liegt bereits seit
mehreren Wochen der Behördenleitung zur Auswertung vor, wie Sprecher
Christian Booß bestätigte. Bislang sei aber noch keine Entscheidung
darüber gefallen, ob und wann der Bericht der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden soll.
Aus der Analyse der in der "Rosenholz"-Datei registrierten
Einsatzorte von Westagenten geht hervor, dass die Stasi im Westen
vor allem Wissenschafts- und Wirtschaftsspionage betrieb. Über ein
Drittel der zuletzt noch rund 1 500 aktiven Westagenten war demnach
in Forschungseinrichtungen wie der Fraunhofer- und der
Max-Planck-Gesellschaft sowie in Großbanken und Unternehmen wie
Bayer, Krupp und IBM platziert. Nur etwa 20 Prozent der
Stasi-Agenten waren dagegen in Parteien und Ministerien aktiv. Noch
geringer war ihr Anteil in Militäreinrichtungen.
Unbekannte Ost-IM
Neben Westdeutschen sind in der "Rosenholz"-Datei auch mehrere
zehntausend DDR-Bürger gespeichert, die seit den fünfziger Jahren
für die HVA inoffiziell tätig waren. Zuletzt lag die Zahl der noch
aktiven Ost-IM bei rund 10 000. Ein Viertel davon hielt sich als
Werber, Kurier oder Instrukteur mitunter über Wochen hinweg in der
Bundesrepublik auf und wirkte dort an Spionageoperationen der HVA
mit. Unter diesen DDR-IM befinden sich "Rosenholz" zufolge viele
Hochschullehrer und Wissenschaftler, aber auch Journalisten und
Politiker von DDR-Blockparteien. Anders als die Westspione der HVA,
von denen inzwischen nahezu alle enttarnt werden konnten, sind die
DDR-Bürger, die inoffiziell mit der HVA zusammenarbeiteten, bislang
weitgehend unbekannt geblieben.
Die unter dem Begriff "Rosenholz" bekannte Agentenkartei der HVA
ist Anfang der neunziger Jahre als mikroverfilmte Kopie auf noch
immer nicht geklärtem Weg in den Besitz des US-Geheimdienstes CIA
gelangt. Auf Drängen der rot-grünen Bundesregierung hatte die CIA
jene Teile des Materials, die deutsche Staatsangehörige betreffen,
zwischen 2000 und 2003 als Kopien in mehreren Einzellieferungen an
Deutschland übergeben. Nach einer Auswertung durch
Ermittlungsbehörden und Verfassungsschutz wurden die auf CD-Rom
gespeicherten Karteikarten der Birthler-Behörde zugeleitet, wo sie
technisch nun so weit aufbereitet worden sind, dass sie für die
Forschung und für Überprüfungen im öffentlichen Dienst zur Verfügung
stehen.